Skip to main content

Vorsicht: Potenzialfalle

Vorsicht: Potenzialfalle

Achtsamkeit ist eine der drei systemischen Leitprinzipien nach dem Open System Model und betont die Bedeutung der bewussten Wahrnehmung dessen, was tatsächlich vorhanden ist. Dieses Prinzip fordert uns auf, die Realität ohne voreilige Urteile oder festgefahrene Annahmen zu erfassen. Doch in meiner Beobachtung von Unternehmen wird genau gegen dieses Prinzip besonders häufig verstoßen.

Selbst wenn Führungsverantwortung wahrgenommen und das Tätigkeitsfeld der Mitarbeitenden klar definiert sind, wird die Entwicklung der Mitarbeitenden oft vernachlässigt. Häufig begegnet man Aussagen wie „Das hast du doch studiert, das musst du doch wissen“ oder „Warum kannst du das immer noch nicht, ich habe es dir so oft erklärt“. Diese Bemerkungen deuten auf eine Blockade in der persönlichen Entwicklung hin – in vielen Fällen ausgelöst durch diejenigen, die eigentlich Führung und Unterstützung bieten sollten. Oft geschieht dies unbewusst, etwa wenn persönliche Sympathien und zwischenmenschliche Beziehungen die objektive Wahrnehmung trüben. In solchen Fällen wird dem Gegenüber oftmals eine höhere Kompetenz unterstellt, als tatsächlich vorhanden ist.

Wenn Mitarbeitende, insbesondere in leitenden Positionen, nicht erkennen, dass Entwicklungsprozesse individuell und differenziert betrachtet werden müssen, bleiben Menschen auf der Strecke. Sie werden in starren Erwartungen und festgelegten Rollen gefangen gehalten, die ihrer tatsächlichen Entwicklung nicht gerecht werden.

Achtsame Wahrnehmung hingegen stellt die Dinge wieder in ihren realistischen Kontext. Sie schafft Raum für eine offene und unvoreingenommene Einschätzung der Fähigkeiten und Entwicklungsbedarfe jedes Einzelnen und eröffnet damit den Weg zu echter persönlicher und professioneller Entfaltung.

Potenzialentfaltung
Führung
Management

Wir sind die Summe all unserer Erfahrungen. Diese Tatsache muss nicht nur von jenen, die uns führen, achtsam wahrgenommen werden, sondern auch von uns selbst. Besonders dann, wenn wir uns in den oft schmerzhaften Vergleich mit anderen begeben – ein Vergleich, der uns fast immer schlechter dastehen lässt.

Häufig suchen wir Lösungen für gegenwärtige Probleme in der Vergangenheit. Wir durchforsten unsere Erfahrungen nach ähnlichen Situationen und greifen auf altbewährte Antworten zurück. Dabei verengen wir jedoch unseren Blick auf das, was gerade ist, und ignorieren die einzigartigen Umstände der Gegenwart.

Wenn Führungskräfte Potenzial in einer Person erkennen, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass dieses Potenzial von der Person selbst wahrgenommen oder gar gewollt wird. Hier liegt die Herausforderung: Urteilt die Führungskraft über wiederkehrende Fehler, ist es ihre Aufgabe, zu reflektieren, ob die bisherige Kommunikation möglicherweise nicht den nötigen Anklang gefunden hat. Es könnte erforderlich sein, die eigene Herangehensweise zu überdenken und anzupassen.

Meine oft zitierte Haltung greift auch in diesem Zusammenhang:

Liebe die Prozesse deines Gegenübers. Liebe deine eigenen Prozesse.

Denn Wachstum und Entwicklung sind niemals linear, sondern individuell, komplex und voller Herausforderungen, die nur mit Achtsamkeit und Geduld gemeistert werden können.