Art of Hosting School – Marburg
Art of Hosting School – Marburg
„Die Kunst, gute Gespräche zu führen.“ So lässt sich Art of Hosting wohl am treffendsten ins Deutsche übersetzen. Es klingt nach einer simplen Technik, nach einem Werkzeugkasten für Moderatoren. Doch wer tiefer eintaucht, stößt schnell auf eine fundamentale Wahrheit, die wir gerne zitieren: „Haltung frisst Methode zum Frühstück.“
Was es mit diesem Spruch auf sich hat und warum er der Schlüssel zum Erfolg unseres dreitägigen Workshops in Marburg war, möchte ich berichten:
Zusammen mit dem Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) aus Potsdam stellten wir uns einer besonderen Herausforderung: Eine Art of Hosting School für zwei deutsche und zwei französische Kommunen. Das Ziel? Methodenkompetenz vermitteln, Austausch fördern und Nachhaltigkeit verankern. Die Realität? Ein spannender Hürdenlauf.
Die Herausforderungen: Ein Sprung ins kalte Wasser
Bevor der erste Stuhlkreis gestellt war, sahen wir uns mit drei massiven Fragezeichen konfrontiert.
1. Das babylonische Sprachgewirr
Teil der Ausschreibung war eine harte Nuss: Das Thema musste unter der Bedingung der Zweisprachigkeit gelöst werden. Die deutschen Teilnehmenden sprachen kein Französisch, die französischen kein Deutsch.
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Die Lösung: Technik und Teamwork. Das IASS stellte glücklicherweise zwei Dolmetschende sowie die nötige Konferenztechnik zur Verfügung.
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Das Team: Meine wunderbare Workshop-Kollegin Rhea glänzte mit fließendem Französisch, während ich mich mit Basics durchschlug. Diese Mischung aus professioneller Übersetzung und menschlichem Bemühen schuf eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts.
2. Der Raum als Black Box
Für Art of Hosting ist der Raum der „dritte Moderator“. Doch wir wussten nicht, was uns erwartet. Aufgrund der Entfernung gab es keine Vorbesichtigung. Zwar hatten wir einen Video-Rundgang organisiert, aber die entscheidenden Details blieben im Dunkeln:
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Sind die Wände bespielbar?
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Hält unser Moderations-Klebeband oder ruiniert es den Putz?
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Wie flexibel sind die Sitzgelegenheiten? Wir mussten also im Kopf und im Materialkoffer auf alles vorbereitet sein.
3. Der Theorie-Praxis-Gap
Die Erwartungshaltung war enorm. Ohne zu wissen, welche substantiellen Fragen die vier Kommunen aktuell bewegten, sollten wir Art of Hosting so vermitteln, dass die Methoden nach drei Tagen sofort anwendbar waren. Das Problem: Methoden ohne echten Inhalt bleiben hölzern. Wir mussten einen Weg finden, unsere Erfahrung in Richtung Ergebnisoffenheit einfließen zu lassen, ohne die Bodenhaftung zu verlieren.
Alles in seinem Tempo: Unser 3-Phasen-Modell
Um diesen Herausforderungen zu begegnen und den Gap zwischen trockener Theorie und lebendiger Praxis zu schließen, entschieden wir uns für ein striktes, aber dynamisches Vorgehen in drei Phasen.
Phase 01: Erleben & Briefing
Hier legten wir das Fundament. Wir starteten mit dem theoretischen Briefing jeder Methode, untermauert mit geschilderten Anwendungsfällen.
Der Vorteil: Wir konnten hier aus unserem enormen Erfahrungsschatz schöpfen und Geschichten erzählen, die die Methoden plastisch machten, bevor sie überhaupt geübt wurden.
Phase 02: Die Praxisübung (Simulation)
In den Übungen versuchten wir, beide Perspektiven erlebbar zu machen: die der Moderation und jene der Teilnehmenden. Hier zeigte sich die größte Hürde: Die Simulation behandelter Themen ist schwierig. Warum? Weil nur echte Themen echte Betroffenheit erzeugen. Nur wenn es wirklich um etwas geht, entsteht das Engagement, das Art of Hosting so kraftvoll macht. Dennoch gelang es uns, durch realitätsnahe Szenarien den Diskurs zu fördern.
Phase 03: Reflexion & Transfer
Nach der Simulation gingen wir sofort in den Meta-Dialog. Wo lässt sich das gerade Erlebte in der eigenen Kommune anwenden? Die zahlreichen Beiträge und Ideen der Teilnehmenden waren für uns die schönste Bestätigung: Wir hatten den richtigen Nerv getroffen.
Warum Haltung die Methode frisst
Zwischen den Übungen setzten wir immer wieder Impulsvorträge. Hier ging es nicht um das „Wie“ (die Methode), sondern um das „Warum“ und „Wer“ (die Haltung).
Art of Hosting ist mehr als das Arrangieren von Post-its. Es ist eine innere Haltung der Neugier, der Offenheit und des Mutes, nicht sofort eine Antwort parat zu haben. Diese Impulse flossen direkt in die Übungen ein. Wir merkten schnell: Wenn die Haltung stimmt – wenn man bereit ist, einander trotz Sprachbarrieren wirklich zuzuhören – dann wird die Methode zweitrangig. Sie wird zum dienenden Werkzeug, nicht zum starren Korsett.
Wissen sichern: Nachhaltigkeit über den Tag hinaus
Was bleibt von drei Tagen in Marburg? Um sicherzustellen, dass die Inhalte nicht verpuffen, haben wir großen Wert auf die Dokumentation gelegt.
Die gesamte „Art of Hosting School“ wurde ausführlich und nachvollziehbar digitalisiert. Auf einer eigens eingerichteten Webseite sind alle Inhalte, Methodenbeschreibungen und Ergebnisse jederzeit und von überall verfügbar – natürlich komplett zweisprachig auf Deutsch und Französisch.
Sieh dich gerne mal auf der Webseite um und lass dich inspirieren, wie gute Gespräche Grenzen überwinden können. Hier geht’s zum Werk